Sicherlich gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, was „Anders leben – Gemeinsam wohnen“ bedeuten kann – und das ist gut so. Dennoch benötigt ein solches Wohnprojekt gemeinsame Ziele, um bei grundsätzlichen Fragen zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Aus der intensiven Diskussion der letzten Jahre und den Erfahrungen anderer Projekte, mit denen wir im Kontakt sind, haben wir für unser Wohnprojekt 2012 Kerngedanken formuliert, die uns durch die letzten Jahre geleitet haben.
1. Selbstverwaltung: Wir planen und realisieren unser Projekt mit Hilfe von Fachleuten in eigener Regie; die spätere Verwaltung des Projekts bleibt in unserer Hand. Notwendig sind gemeinsames Entwickeln, Gestalten und Arbeiten, das zeitweise und begründete Nichtmitwirken sollte aber respektiert werden. Mitglieder unseres Vertrauens übernehmen verschiedene Verwaltungsaufgaben innerhalb des Projekts und in der Vertretung nach außen, dies erfolgt durch Wahl und unentgeltlich.
2. Gute Nachbarschaft: Wir wünschen uns eine lebendige Vielfalt, die sowohl Raum für Gemeinschaft, als auch genug Raum für Rückzug beinhaltet. Durch die Bauweise und die gemeinschaftliche Gestaltung ergeben sich selbstverständliche nachbarschaftliche Kontakte. Zu jedem abgeschlossenen Wohnbereich gehören ein Balkon oder eine Terrasse. Der Außenbereich kann gemeinschaftlich gestaltet und genutzt werden.
Bei einem ausreichend großen Grundstück könnten wir uns die Ansiedlung von geeigneten Büros und Praxen gut vorstellen.
3. Solidarische Finanzierung: Wir wollen, dass sich an dem Projekt Menschen mit unterschiedlichen finanziellen Mitteln beteiligen können, bemühen uns um solidarische Finanzierungsformen. Wir planen eine Kombination aus Miet- und Eigentumswohnungen in einem genossenschaftlichen Rahmen. Auch im Genossenschaftsmodell ist es erforderlich, für die Mietwohnung einen Eigenanteil zu erbringen.
4. Akzeptieren von Unterschiedlichkeit: Wir schätzen und wünschen die Unterschiedlichkeit im Alter, der Lebenssituation, der Lebenserfahrung und Lebensäußerung unserer MitbewohnerInnen. Durch die Unterschiedlichkeit können natürlich auch Konflikte entstehen. Wir werden versuchen sie frühzeitig zu thematisieren und zu lösen; bei Bedarf nehmen wir professionelle Hilfe in Anspruch.
5. Gegenseitige Hilfe: Wir wollen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten und unserer individuellen Bereitschaft unterstützend zur Seite stehen. Wir unterstützen unsere Mitglieder bei Bedarf durch die Organisation professioneller Hilfe und nachbarschaftlicher Fürsorge, damit bei stärkeren gesundheitlichen oder altersbedingten Einschränkungen ein Verbleib im Wohnprojekt möglich ist.
6. Ein- und Ausstieg: Der Zuzug von BewohnerInnen soll sich möglichst unkompliziert gestalten, wobei der Einfluss der Gruppe auf die Entscheidung vertraglich sichergestellt sein soll. Für den Ausstieg von BewohnerInnen legen wir Regelungen fest, die eine spekulative Verwertung von Wohnraum im Projekt ausschließt.
7. Gemeinschaftseinrichtungen: Wir wünschen uns Gemeinschaftsräume, die nach den Vorstellungen und Ideen der BewohnerInnen geplant, eingerichtet und genutzt werden können, soweit sie finanzierbar sind. Hier kann es Raum geben für Geselligkeit, Kultur, Kunst, Musik, Kochen, Handwerk, Bewegung und Gäste. Zusammenschlüsse von BewohnerInnen zu konkreten Themen (Car-Sharing, Einkaufsgemeinschaften, Kinderpatenschaften etc.) sind natürlich auch möglich.
8. Ökologie: Wir berücksichtigen beim Bau und Betrieb unseres Projekts ökologische Gesichtspunkte, soweit diese für uns wirtschaftlich und finanzierbar bleiben (z.B. Solarenergie, Kraft-Wärme-Kopplung). Wir wollen Ressourcen schonen und bewusst mit der Natur umgehen.
9 . Begegnung und Engagement: Wir möchten uns als Gruppe in verschiedenen sozialen und kulturellen Projekten engagieren und unser Wohnprojekt für nachbarschaftliche Begegnung öffnen.
10. Inklusion: Da unsere Vorstellungen eines guten nachbarschaftlichen Zusammenlebens gut mit denen der „Inklusion“, d.h. der gleichberechtigten Teilnahme von Menschen mit Behinderung an allen Bereichen des Lebens, zusammenpassen, sind wir offen für die Zusammenarbeit mit sozialen Trägern; in eigener Trägerschaft im Einklang mit unserem Konzept könnte ein Angebot für unterstütztes Wohnen einbezogen werden.
(Juni 2012, aktualisiert Januar 2018)